Der Peršmanhof, Island und die BBC
Sägen ist nicht sagen, ein Bär ist keine Bar und Pröll ist kein Proll: darüber sind sich fast alle einig. Zwei Punkte oder Striche über einem Buchstaben, sogenannte diakritische Zeichen, machen den Unterschied - im Deutschen genau so wie in anderen Sprachen. Trotzdem sucht man die nichtdeutschen Diakritika in österreichischen Medien meist vergebens. Aus diesem Grund unternehme ich im Mai 2015 bei meinen KollegInnen von news.orf.at einen neuerlichen Vorstoß zur Rehabilitation des Hačeks. Anlass ist eine Meldung zum 70. Jahrestag des Massakers am Peršmanhof in Železna Kapla in Kärnten: die an sich pro-slowenische Tendenz des Artikels verkehrt sich nämlich durch das Fehlen der diakritischen Zeichen bei den slowenischen Namen in ihr Gegenteil. Zwar wird der Kampf der Partisanen gegen das Verschwinden des Slowenischen in Österreich gutgeheißen, doch bewirkt das Verschwinden der slowenischen Hačeks, dass die österreichischen Bajuwaren ihre Ziele einmal mehr erreichen. Mein Mailverkehr mit der ORF-Internetredaktion zeigt, wie die Nicht-Berücksichtigung der artfremden Diakritika in der Praxis begründet wird.
Von: Hergovich Alfred Mag.
Gesendet: Freitag, 15. Mai 2015 16:18
An: ORF On Online
Betreff: Bad Eisenkappel / Železna Kapla
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vielen Dank für den ausführlichen Slowenen-Schwerpunkt anlässlich des heutigen 70. Jahrestages des Österreichischen Staatsvertrages.
In diesem Zusammenhang hätte ich einen Vorschlag: es wäre sehr schön, wenn auf ORF.at die nichtdeutschen Eigennamen in authentischer Schreibweise wiedergegeben würden. In dem Artikel wäre das dann Železna Kapla statt Zelezna Kapla.
Technisch sollte das kein Problem sein, da sowohl die Volksgruppenredaktion im Burgenland als auch die Slowenische Redaktion in Kärnten die diakritischen Zeichen (vulgo Hačeks) sowie die speziellen ungarischen Zeichen seit Jahren verwendet.
Ich weiß, dass die authentische Schreibweise in Österreich keine große Tradition und Beliebtheit hat. Trotzdem ist es ein Ausdruck des Respekts den Volksgruppenangehörigen gegenüber, die Eigennamen so zu belassen wie sie sind.
Natürlich weiß man, dass Österreich gemeint ist, wenn Osterreich dort steht, oder dass mit Munchen eigentlich München gemeint ist. Ich würde mich trotzdem freuen, wenn ORF.at in Zukunft auf diese vermeintlichen Kleinigkeiten mehr achtet. Nicht nur der Volksgruppen wegen, sondern aller Österreicher nichtdeutscher Herkunft wegen.
Liebe Grüße aus Eisenstadt
Fred Hergovich
Von: ON-R
Gesendet: Mittwoch, 20. Mai 2015 14:10
An: Hergovich Alfred Mag.
Betreff: AW: Bad Eisenkappel / Železna Kapla
Lieber Kollege Hergovich,
Ich kann Ihnen versichern, dass wir schon mehrmals über eine Anwendung von Diakritika in ORF.at diskutiert haben. Wir finden es auch gut und wichtig, dass diese in volksgruppen.ORF.at zur Anwendung kommen.
Was news.ORF.at anlangt: Es wäre für die Redaktion und das Lektorat ein erheblicher Mehraufwand, würden wir besagte Diakritika verwenden, weil viel Material (Agenturen, Websites von Printmedien und anderen Rundfunkanstalten etc.) ohne oder nur teilweise mit Sonderzeichen versehen ist und das teils auch beliebig oder falsch. Selbst die BBC mit ungleich mehr Personal verzichtet im Onlineauftritt auf Diakritika.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der gegen Diakritika in news.ORF.at spricht, ist, dass Sonderzeichen vieler Sprachen (etwa Isländisch) nur schwer verfügbar sind. Daher bitte ich um Ihr Verständnis dafür, dass wir unsere Praxis beibehalten, und verbleibe mit freundlichen Grüßen
N.N.
Von: Hergovich Alfred Mag.
Gesendet: Donnerstag, 21. Mai 2015 17:17
An: N.N. - ON-R
Betreff: AW: Bad Eisenkappel / Železna Kapla
Lieber Herr N.N.!
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Meiner Meinung nach unterstreicht die authentische Schreibweise in großem Ausmaß die Kompetenz des Autors bzw. des Portals und stellt eine starke Nähe zu jenen Lesern her, die mit anderen Sprachen vertraut sind. In Summe sind das auch in Österreich nicht wenige.
Ich verstehe natürlich Ihre Argumente im Hinblick auf Finanzierung und Personal. Ob die BBC in Bezug auf die Sensibilität gegenüber nichtenglischen Kulturen als Vorbild dienen kann, will ich nicht beurteilen.
Liebe Grüße
Fred Hergovich
Von: ON-R
Gesendet: Freitag, 22. Mai 2015 15:17
An: Hergovich Alfred Mag.
Betreff: AW: Bad Eisenkappel / Železna Kapla
Lieber Herr Hergovich,
ich kann keines Ihrer Argumente widerlegen. Ich bin auch persönlich nicht grundsätzlich gegen die Schreibung (der Namen aller Sprachen) mit Diakritika. Ich würde es aber weder unserer kleinen Redaktion noch unserem sehr kleinen Lektoratsteam zumuten wollen, unsere Praxis dahingehend zu ändern.
Liebe Grüße N.N.