Im nicht ganz so guten Mittelfeld
Zu Beginn der Neunziger Jahre haben auch die Optimisten den Glauben daran verloren, dass die österreichische Politik den Kroaten im Burgenland substantielle Zugeständnisse machen wird. Die der Volksgruppe 1955 zuerkannten Rechte sind nicht einmal ansatzweise erfüllt, eine Änderung der Situation ist nicht absehbar. Anlässlich des Jahrestages der Unterzeichnung des Staatsvertrages publiziert der "Standard" am 16. Mai 1990 meinen "Kommentar der anderen".
35 Jahre Österreichischer Staatsvertrag: Ein trauriges Jubiläum für die kroatische Volksgruppe im Burgenland
Als am 15. Mai 1955 der sowjetische Außenminister Molotow den Staatsvertrag tatsächlich unterzeichnete, staunte der gelernte Österreicher nicht schlecht über die Naivität der Russen. Hatte doch Wien für den Abzug der sowjetischen Truppen lediglich mit Versprechen und Absichtserklärungen bezahlt - aus österreichischer Sicht also praktisch mit nichts.
Außer zur Neutralität verpflichtete sich die österreichische Bundesregierung dazu, die in Österreich lebenden Volksgruppen zu schützen. Während die „immerwährende" Neutralität nach einer Anstandswartezeit von immerhin drei Jahrzehnten erst jetzt in Frage gestellt wurde, ging das zweite Versprechen im Staatsvertragstrubel unter. Dabei wäre es doch ganz einfach zu erfüllen gewesen: Die trinkfesten Helden von Moskau hätten nur eine Verordnung erlassen müssen, die festlegt, in welcher Gemeinde und bei welcher Behörde Kroatisch als zusätzliche Amtssprache gilt, in welcher Volksschule neben Deutsch auch Kroatisch unterrichtet wird, und in welcher Ortschaft eine zweisprachige Ortstafel aufzustellen ist.
Tatsache ist: diese für das Inkrafttreten der Schutzbestimmungen unerläßliche Verordnung wurde nicht erlassen. Weder vom damals amtierenden Kabinett Raab I noch von einer der dreizehn folgenden Bundesregierungen.
Das Motto am Ballhausplatz seit 35 Jahren: Man nimmt das Problem nicht zur Kenntnis und hofft, daß es sich mit der Zeit von selbst löst. Die Folge: im Burgenland gibt es heute keine zweisprachigen Schulen, es steht keine einzige zweisprachige Ortstafel und bis vor kurzem gab es keine Behörde, mit der man Kroatisch sprechen konnte. Erst eine beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde und ein im Dezember 1987 ergangenes Urteil zwang die Parteienvertreter der burgenländischen Landesregierung, den Geltungsbereich der kroatischen Amtssprache festzulegen.
Die äußerst restriktive Auslegung dieses Urteils seitens der Landesbehörden läßt allerding erwarten, daß die Kroaten zu zweisprachigen Schulen und Ortstafeln ebenfalls nur über den Umweg des Verfassungsgerichtshofes kommen werden. Was sowohl den einzelnen Kläger als auch die Republik und damit den Steuerzahler wieder teuer zu stehen kommen wird.
Durch die Volksgruppenpolitik der Zweiten Republik wurde die kroatische Sprache sukzessive aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Einer ganzen Generation burgenländischer Kroaten wurde die Ausbildung in ihrer Muttersprache vorenthalten, die Zweitrangigkeit ihrer Sprache eingebläut.
Fazit: Was den Umgang mit Volksgruppen betrifft, mögen sich die österreichischen Politiker trösten. International gesehen liegen wir im guten Mittelfeld. Vor Rumänien, Bulgarien und der Türkei. Aber weit hinter der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark und der Schweiz.