Wie die Biografie zur Biologie wird
Wir sind unsere Geschichte: was wir verkörpern, was wir fühlen, was wir denken - all das wird bestimmt von den Erfahrungen, die wir in dieser Welt machen, sagt der ungarisch-kanadische Traumaforscher Gabor Maté. Seine spektakulären Erkenntnisse verdankt er zuallererst seiner eigenen Biografie: den Tod vor Augen, überließ seine jüdische Mutter den Säugling im Budapest des Jahres 1944 einige Wochen lang wildfremden Menschen. Mutter und Sohn überlebten, doch die frühkindlichen Traumen prägten den Lebensweg des späteren Arztes und Therapeuten. In seiner langjährigen Arbeit mit Süchtigen und Todkranken in Vancouver fiel ihm der völlige emotionale Shut down dieser Menschen auf, die sogenannte “negative” Gefühle wie Ärger und Zorn weder fühlen noch ausdrücken konnten - ja die nicht einmal wahrnehmen konnten, wenn sie emotional verletzt wurden, und deshalb ihre Schmerzen mit Drogen und Medikamenten betäubten. In seinem neuen Buch “The Myth of Normal” legt Maté dar, dass körperliche und seelische Krankheiten normale und sinnvolle Reaktionen auf abnormale Lebensumstände sind. Was wir heute als normal ansehen, entspricht nicht den Bedürfnissen des Menschen und ist weder natürlich noch gesund, so Maté.